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Wer heute einen Schäfer mit seiner Herde erblickt, freut sich des romantischen Anblicks und denkt in der Regel nicht daran, dass er es mit dem Überbleibsel eines wichtigen Zweiges der früheren Landwirtschaft zu tun hat. Auseinandersetzungen um die Weide- und Viehtriebsrechte machten den überwiegenden Teil der Streitigkeiten zwischen benachbarten Gemeinden aus. In Schefflenz hatte jedes der drei Dörfer seine eigene Schäferei und seine eigene Schafscheune.
Anlässlich des auslaufenden Pachtvertrags befassten sich Gemeinderat und Bürgerausschuss (ein zweites Gremium der gemeindlichen Selbstverwaltung) von Unterschefflenz in der Sitzung vom 5. März 1850 ausführlich mit dem Thema und legten in 21 Paragraphen die Bedingungen fest, unter denen die Schäferei auf weitere sechs Jahre verpachtet werden sollte. Als „Letztbietender“ steigerte Adam Reichert die Schäferei für die Summe von 500 Gulden. Der Pächter, in dem Vertrag „Beständer“ genannt, trat die Pacht an Michaeli, also am 29. September, an. Die Pacht war jahrweise jeweils an Johanni (24. Juni) zu entrichten.
Wichtig war die Bestimmung über die Einzäunung des Platzes, an dem die Schafe nachts gehalten wurden, des Pferchs. Noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dieser regelmäßig versteigert. In einer Zeit, in der die Kunstdüngung sich noch nicht durchgesetzt hatte, war es wichtig, natürlichen Dünger zu erhalten. Deswegen versuchten die Behörden ja auch, den Bauern nahezulegen, ihre Rinder nicht mehr auf die Weide zu treiben, erst recht nicht auf die Waldweide, sondern sie zur Stallhaltung zu überreden. Diese Bestrebungen waren im Odenwald Mitte des 19. Jahrhunderts noch im vollen Gang. Der Schafpferch diente wie die Stallhaltung des Viehs der Gewinnung natürlichen Düngers: Mit den Restprodukten ihrer Verdauung machten die eingesperrten Schafe das Grundstück fruchtbar.
Der Schäfer durfte nur einen Pferch führen. Dessen Größe war genau festgelegt: Es waren 40 Hort (Zaunteile) zu je ca. 5 m Länge. Jede Pferchnacht brachte dem Schäfer von dem mit dem Mist Beglückten 2 Simmere raue Frucht ein (Simmere ist ein Hohlmaß für Getreide, 1 Simmere ist für raue Frucht der 9. Teil eines Malters, dieser wiederum war nach Wimpfener Maß knapp 1,5 Hektorliter; raue Frucht waren Hafer und ungespelzter Dinkel), das allerdings nur in der Zeit vom 2. Dezember bis 31. März. In der restlichen Zeit fiel das Pferchgeld der Gemeinde zu.
Neben den Gemeindeschafen durfte der Schäfer auch eine nicht genau festgelegte Zahl eigener Schafe halten. Von der Gemeinde bekam er das Schafhaus gestellt, zu dem eine Stallung und eine Scheune gehörten. Reparaturen an diesem Gebäude musste er, wenn er den Schaden selbst verursacht hatte, auch selbst durchführen oder durchführen lassen. Auch das Weißeln musste er selbst übernehmen sowie das Ausmisten, die Instandhaltung von Ofen und Kamin und Wiederherstellung zerbrochener Fenster.
Mit seinen Schafen nicht befahren durfte er eingesäte und Klee-Felder. Auf die Wiesen durften die Schafe von Martini (11.11.) bis zum 15. März. Bäume durften die Schafe nicht beschädigen, deswegen durfte der Schäfer sie auch nicht in Baumgärten treiben. In der „Frucht- und Haberfluhr“ durfte er mit seinen Schafen die Wege nicht befahren, es sei denn, es waren „Fiezinalwege“ (gemeint sind Vizinalstraßen, die man heute als Gemeindeverbindungsstraßen bezeichnen würde). AlsVergünstigung erhielt der Schäfereipächter auch einen Acker („bei der Eiche“) sowie das auf dem Acker wachsende Obst. Auch eine Bürgergabe stand ihm wie jedem anderen Bürger zu.
Offensichtlich hatte der Pächter auch Angestellte, Knechte, für die er haften musste, wenn sie Schaden anrichteten. Das galt besonders dann, wenn der Knecht den Dienst aufgab oder sich „heimlich entfernte“. Strafen und Schadenersatzkosten gingen dann auf den Pächter selbst über, auch dann, wenn der Knecht zahlungsunfähig war.
Für die Einhaltung all dieser Vorschriften musste ein weiterer Bürger, in diesem Fall Georg Reichert, bürgen.