Um ihre Heimatgemeinde verdient gemacht haben sich zwei große Persönlichkeiten: Augusta Bender und Prof. Dr. Edwin Roedder.
Sie wurde 1846 in Oberschefflenz geboren. Die Eltern hatten eine bäuerliche Landwirtschaft, die eher ärmlich war. Ihre Kindheit schildert Augusta Bender in ihrer ersten Autobiographie "Auf der Schattenseite des Lebens" (1903) als kärglich. In der Schule ist sie eine Aussenseiterin, die sich zunehmend mit 'Literatur' beschäftigt (und darin von der Mutter unterstützt wird). Ein erster Versuch als Siebzehnjährige, eigene Gedichte in einer Mannheimer Tageszeitung unterzubringen, schlägt fehl. Dann will sie Schauspielerin werden, sie sieht allerdings ihre Naivität ein und gibt es auf. Sie lebt als Erzieherin bei einer Lehrerfamilie in Mosbach und erweitert dabei ihre eigenen Kenntnisse. 1864 findet sie eine schlecht bezahlte Stelle beim Telegraphenamt in Karlsruhe; 1868 schliesst sie eine Ausbildung als Privatlehrerin ab. Sie geht nach England, kehrt aber nach einem Jahr enttäuscht zurück.
In einfachsten Verhältnissen lebt sie in Heidelberg, gibt Privatstunden, veröffentlicht das eine oder andere Gedicht, ist Erzieherin und Begleiterin für reisende Ausländerinnen usw. 1871 versucht sie es mit einer Auswanderung in die USA, aber ihre angegriffene Gesundheit macht nicht mit, und sie gibt den Plan auf. Um 1873 hält sie Vorträge auf verschiedenen Frauentagen in Stuttgart, Mannheim und Karlsruhe, bleibt also, wie sie selbst schreibt, "ganz so arm wie zuvor". Hier, etwa schliesst ihre eigene Darstellung; wir erfahren nichts von der Aufzeichnungsarbeit der Volkslieder oder ihrer sonstigen Tätigkeit auf diesem Gebiet und in späteren Jahren. Sie lebte später als 'Schriftstellerin` in einem Lehrerinnenheim in Lichtental (Baden-Baden), und 1924 stirbt sie verarmt und praktisch vergessen im Altersheim in Mosbach. Sie hat verschiedene Novellen, einen Gedichtband und einen Roman veröffentlicht. Kurzgeschichten und Beitrage erschienen in Hauszeitschriften, aber berühmt wurde sie damit nicht. Ihre überragende Leistung für die Volksliedforschung ist ihre Liedersammlung aus Oberschefflenz.
Faszinierend und bewundernswert erscheint uns Augusta Bender nicht nur wegen ihrer Liedersammlung ( aus der wir nicht alle Lieder uneingeschränkt nachspielen möchten) sondern auch weil sie eine Frau war deren Leben für die damalige Zeit mehr als nur Aussergewöhnlich war. Ihr Mut anders zu sein als “die Anderen” gibt immer wieder Mut ebenfalls “aus der Rolle zu fallen”. Wer könnte, selbst in unserem “globalen Zeitalter”, den unten nochmals aufgeführten Lebenslauf nicht bestaunen.
Am 21. März 1846 wird Augusta Bender in Oberschefflenz als 5. Kind einer Bauernfamilie geboren und verbringt ihre Kinderjahre, Schulzeit und Jugend in diesem kleinen Dorf
1855 | |
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Oberschefflenz | Schülerin; erste Gedichte |
1863 (ca. 3 Monate) | |
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Mannheim | Schauspielunterricht |
1863 (ca. 6 Wochen) | |
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Mosbach | Ausbildung zur Weißnäherin abgebrochen |
1864 - 1865 | |
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Mosbach | Ausbildung zur Telegraphistin erfolgreich |
Mai 1865 - September 1867 | |
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Karlsruhe | Telegraphistin bei der Post |
Oktober 1867 - März 1868 | |
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Heidelberg | Weiterbildung zur Lehrerin für Töchterschulen |
April - August 1868 | |
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London | Lehrerin und Gouvernante in Privatschulen; hungert und ist krank |
September - November 1868 | |
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Heidelberg | vergebliche Versuche an den privaten Töchterschulen in Schwetzingen, Ziegelhausen und Ladenburg eine Anstellung zu bekommen; Privatlehrerin; wohnt bei Professor Otto; erste Romanfragmente / Notizen zur Biographie |
Dezember 1868 - März 1869 | |
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Paris/Nizza/Genua/Rom | Reise mit US - Diplomatenfamilie Unterrichtspflicht: eine Stunde pro Tag für die zwei Kinder; schreibt in 14 Tagen zwei Novellen in Rom; Rasche Entschlüsse", zweite sei verschollen |
1869 - 1870 | |
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Heidelberg | Privatlehrerin; wohnt bei Prof. Otto; Sekretärin bei Prof. R. Hildebrand, dem sie auch erste eigene Literaturprodukte zur Beurteilung gibt. Novellen "Ein Bild aus der Wirklichkeit«,Ein dunkles Verhängnis" |
Sommer 1870 | |
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Messkirch | eine Woche Haushälterin bei ihrem Bruder; erfolglose Versuche, in Zeitschriften erste Novellen zu veröffentlichen |
Oktober 1871 - September 1873 | |
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New York | Privatlehrerin und Vorträge haltend |
Oktober 1873 - Juli 1874 | |
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Adelsheim | Vorträge in Stuttgart, Karlsruhe und Mannheim; lernt Latein und gibt Privatunterricht |
August - Oktober 1874 | |
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New York | Examen einer deutschen Lehrerin an öffentlichen Schulen; Lehrerinnenanstellung; wegen Krankheit abgebrochen |
November 1874 - 1878 | |
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Philadelphia | Privatlehrerin (während der Sommermonate in New York) (ungeklärt ob 1879 eine Reise nach Deutschland erfolgte oder sie erst 1880 zurückfuhr) |
1880 - 1881 | |
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Heidelberg | Gründung und Scheitern der "Pension internationale" (Erwachsenen-unterrichtsanstalt) |
1882 - 1890 | |
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New York | Privatlehrerin, Vorträge haltend (nach eigenen Angaben in diesen Jahren weitere zwei oder drei Mal zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten hin und hergereist) |
1882 | |
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Briefnovelle "Deutsche Liebe in Amerika" in Westermanns Monatshefte veröffentlicht |
1884 | |
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Philadelphia | Novelle "Mein Bruder” erschienen |
1887 | |
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New York | Gedichtband "Haideblumen" erschienen |
1890 | |
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Stuttgart | Druckvertrag bei der DVA für "Die Reiterkäthe" |
November 1890 - Mai 1891 | |
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Heddemheim bei Frankfurter/M | Genesungskuraufenthalt |
1891 | |
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Northampton/Mass. | ein Jahr eine "Professorstelle am Smith College" |
1892 Herbst - 1893 | |
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verschiedene Städte in Deutschland | wegen Veröffentlichungen besucht; die badische Großherzogin unterstützt die Arbeit an den "Oberschefflenzer Volkslieder" |
1893 | |
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Stuttgart | "Die Reiterkäthe" erschienen |
Winter 1893 / 1894 | |
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New York | Vortragsreihe über Richard Wagner |
1894 Herbst - 1895 | |
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Eberbach | 1. Versuch als freie Schriftstellerin in Deutschland zu leben |
1895 - 1897 | |
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New York | Vorträge und Seminar zur deutschen Literatur |
1897 | |
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Schefflenz u.a. | ergänzen der Sammlung "Oberschefflenzer Volkslieder" |
1900 - 1903 | |
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Baden-Baden / Lichtental | drei Bändchen "Die Hausfreundin" erschienen |
1902 | |
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Karlsruhe | "Oberschefflenzer Volkslieder" erschienen |
1904 - 1911 | |
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Eberbach | als freie Schriftstellerin und in der Volksbildung tätig |
1907 | |
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Karlsruhe | "Der Kampf ums höhere Dasein" erschienen |
1910 | |
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Jugenheim/Bergstr. | "Die Macht des Mitleids" erschienen |
1910 | |
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Frankfurt/M | "Kulturbilder" erscheinen |
1912 - Mai 1922 | |
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Baden-Baden / Lichtental | kostenloser Aufenthalt im"Margarethenheim" |
1913 | |
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Band 1 “Auf der Schattenseite des Lebens" erschienen |
1914 | |
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Band 2 “Auf der Schattenseite des Lebens” erschienen |
bis 1923 | |
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in verschiedenen Zeitungen erscheinen Novellen |
1922 bis Ende 1923 | |
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Siegen u. Schefflenz | kurze Wohnsitze ihres Alters |
Bis zu ihrem Tod am 16. Sept. 1924 lebte Augusta Bender (ungefähr neun Monate) im Altersheim Mosbach, dem heutigen Landratsamt in der Renzstraße.
1924 starb die Schriftstellerin Augusta Bender
Das schwere Leben der Augusta Bender begann am Ende der Biedermeierzeit (1846) als Bauernkind in Oberschefflenz, wo sie in der Familie als „fünftes Rad am Wagen“ behandelt wurde. Ihre Intelligenz und Lernfreude zeigte sich in der Volksschule, doch musste sie nahezu aus dem Dorf fliehen, um einen weiteren Schulabschluss machen zu können. Der kostete sie das kleine Äckerchen, das sie geerbt hatte. Als eine der ersten Frauen verdiente sie sich als Telegrafistin auf der Post in Karlsruhe eigenes Geld. Dort lernte sie die Unterdrückung der Frauen im Arbeitsleben kennen und begann sich für Gleichberechtigung einzusetzen. Mit 20 Jahren studierte sie ein Jahr und wurde Lehrerin für höhere Töchterschulen, bekam aber keine Anstellung. Als sie durch den deutsch-französischen Krieg 1870 ihre Privatschülerinnen verlor, zog sie in die USA, um „als Frau selbständig ihr Brot zu verdienen“. Bis 1897 war sie dort Lehrerin, veröffentlichte einen Gedichtband und viele Zeitungsartikel. Sie engagierte sich in der ersten Frauenbewegung und reiste mehrmals nach Deutschland zu Vorträgen und Kuren, wenn ihre Gesundheit angeschlagen war. Neben vielen beruflichen Rückschlägen gelang es ihr 1890 den Roman „Die Reiterkäthe“ in Stuttgart zu veröffentlichen. Sie beschrieb darin die Aufbauarbeit einer Frau am Ende des Dreißigjährigen Krieges. Aber erst 1897 kam sie ganz nach Baden zurück und arbeitete ab ihrem 51. Lebensjahr als freie Schriftstellerin. Bis 1910 erschienen viele Werke: das bekannteste ist die Volksliedersammlung, das wichtigste der Tierschutzroman „Die Macht des Mitleids“ und am interessantesten sind ihre Novellen und historischen Erzählungen, die vom Landleben handeln.
Durch ihre relative Berühmtheit konnte sie kostenfrei in Baden-Baden leben und verbrachte etliche Jahre in Eberbach. Aus Überzeugung heiratete sie nie und aß nur vegetarisch. Als sie mit über 70 Jahren nach dem ersten Weltkrieg die Wohnung verlor, verarmte sie und starb im Mosbacher Altersheim am 16. September 1924.
Im Unterschefflenzer Heimatmuseum (Farrenstall) wird an diese emanzipierte Frau erinnert. Ihre literarischen Werke wurden neu gedruckt (Bezug unter Tel. 06293-79231 möglich) und ihr Grab wird von der Stadt Mosbach bis heute gepflegt.
Dr. Georg Fischer